Andacht aus dem Gemeindebrief

Einmal durchatmen, bitte

In letzter Zeit wird mir ständig als Verabschiedung gesagt: „Bleib gesund!“ Der Wunsch ist vermutlich wohlwollend gemeint, doch löst dieser gleichzeitig irgendwie Stress bei mir aus. Was ist, wenn ich krank werde? Wenn ich alt werde? Wenn ich nicht mehr kann?

Hier begeistert mich einmal aufs Neue die Freiheit, die in christlicher Tradition überliefert ist und die ich bei euch kennenlernen durfte. „Viel Glück und viel Segen auf all deinen Wegen. Gesundheit und Frohsinn sei auch mit dabei.“ Da ist ein Wissen um die Hinfälligkeit des Lebens, neben dem Wunsch nach Geborgenheit, Sicherheit und Gesundheit für die Geliebten – es bleibt noch Luft zum Atmen.

Jetzt überall die Masken, die einen nicht so richtig atmen lassen – wer bekommt es da nicht mit der Angst zu tun? Logisch, dass die Wünsche lauter werden nach guter Luft, eben etwas, das einen am Leben hält. Dabei kann der Wunsch eine Macht entwickeln, die mich und auch meine Lieben gefangen nehmen. Obwohl es doch gut gemeint war!

Sei es der Wunsch um Gesundheit, Gelingen, Partner, Geld, Freunde, Auto, Kinder … Versteht mich bitte nicht falsch. Ich finde Gesundheit ziemlich gut und mag Familie, Freunde und Musik und … nur manchmal kippt es. Da kommt der Punkt, wo mich der Wunsch nicht mehr begeistert und befreit, sondern mich stresst.

Der Theologe Joachim Scharfenberg spricht vom Beten als „Erziehung des Wunsches“. Wem gebe ich Autorität, mir Wünschen zu lehren?!

Mit Beten ist dabei nicht nur das stille Kämmerlein oder der Gottesdienst gemeint, sondern auch die alltäglichen banalsten Gespräche. Das sind Gebete: „Guten Tag“ und „Auf Wiedersehen“. Diese Gebete haben einen Horizont für die Vergänglichkeit beim Leben leben, davon soll mein Wünschen lernen. Eugen Rosenstock-Huessy schreibt: „Leben heißt verwundbar sein. Der Mensch muss zwischen lebendiger Gebrechlichkeit und Konservenbüchsenglück wählen.“ (und dies 1945)

Lebendige Gebrechlichkeit?! Was für ein Lebensstil – da darf beides sein – da darf ich endlich Ich sein, mal mehr gesund, mal mehr krank.

In diesem Sinne: Bleibt zerbrechlich!

Euer Simon Gritzka